Gewaltpräventionswoche

      • Gewaltpräventionswoche an der Rappachschule

      • Nicht schlagen, nur abwehren

        In einem Gewaltpräventions-Projekt an der Rappachschule lernen Kinder, sich zu behaupten. Der Verein BewegtEuch hilft finanziell.

        Daniel Sailer steht im Mittelkreis der Sporthalle, sieben Kinder in weißen T-Shirts stehen ihm gegenüber. Jetzt macht der hochgewachsene Mann eine rasche Bewegung auf die Gruppe zu. Das zieht eine blitzschnelle Reaktion der Kinder nach sich. Sie heben die Hand und rufen „Stopp!“ „Das könnt ihr noch besser“, sagt Sailer und wiederholt seinen „Angriff“. Dieses Mal rufen die Kinder viel resoluter und viel lauter „Stopp!“ Sailer ist zufrieden und sagt: „Gut gemacht!“

        Der 33-jährige Mann im schwarzroten Hoodie mit chinesischen Schriftzeichen ist Chef der WingChun-Schule in Leonberg. Er kommt regelmäßig an die Rappachschule in Stuttgart-Giebel und übt mit allen Klassen Techniken ein, wie man sich in der Schule, auf dem Pausenhof, auf der Straße und auf dem Spielplatz gegenüber aggressiven Gleichaltrigen oder auch Älteren behaupten kann. Ganz bewusst hat die Schule für dieses Projekt „Gewaltprävention“ einen externen Trainer engagiert, um einen anderen Akzent zu setzen.

        Zunächst lief das Projekt nur in der Klasse 4. Im laufenden Schuljahr werden alle 300 Kinder der dreizügigen Grundschule einbezogen. Jedes Kind erhält eine zweitägige Kurseinheit. Der Verein BewegtEuch der Notärztin Lisa Federle stellt dafür 3500 Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung. Die künftige Finanzierung ist laut Rektorin Ute Brußke gesichert. Die Rappachschule wurde in das Projekt „Startchancen BW“ aufgenommen, das stark benachteiligte Schulen fördert.

        In den großen Wohnblocks des Stadtteils Giebel leben viele Familien mit Fluchtgeschichte. Der Ruf Giebels war schlecht. Seit gut 20 Jahren laufen Bemühungen, die sozialen Verhältnisse in diesem Viertel zu verbessern. Giebel hat ein Kinder- und Jugendhaus mit einem Familienzentrum erhalten, der Marktplatz wurde freundlicher gestaltet, eine Naturbeobachtungsstelle sorgt für positive Erlebnisse für Jung und Alt.

        Dennoch: Konflikte kommen weiterhin vor. Um Auseinandersetzungen zu vermeiden, stärkt Sailer in seinen Kursen die Selbstwahrnehmung der Kinder, das Selbstbewusstsein und die Selbstachtung. In den Übungen zeigt er ihnen, wie sie ihren Bereich schützen können, wie sie anderen die Grenzen aufzeigen können – mit Körpersprache, Gestik, Mimik, Sprache. „Mit Stimme kann man unheimlich viel machen“, sagt Sailer. Er weckt bei den Kindern Vertrauen in die Kraft des eigenen Körpers. Das zeigt sich bei einer Einlage mit dem kleinen Robert (Namen der Kinder geändert). Sailer geht aggressiv auf den Buben zu.  Robert weicht nicht zurück, sondern schubst den großen Mann mit beiden Händen weg. Wie er dabei seinen ganzen Körper effektiv einsetzt, hat Sailer dem Buben vorher beigebracht.

        Bei einer anderen Übung lässt die kleine Stefanie den auf sie zustürmenden Kung Fu-Lehrer durch einen raschen Schritt zur Seite ins Leere laufen. Als Sailer zu einem Schlag anhebt, hebt Kevin die Arme hoch und bremst den Schlag ab. „Die Kinder lernen bei mir, reaktiv zu handeln“, sagt Sailer, „sie schlagen nicht, sie wehren nur ab.“

        Die Polizei ist in das Projekt einbezogen. Als Hauptkommissar Thomas Schembera vom Revier Feuerbach die Sporthalle betritt, laufen ihm gleich ein paar Mädchen entgegen und rufen freudig seinen Namen. Hier so ein positives Image zu haben, freut den Beamten. Raimund Weible

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